Kurt Fleisch: Aibohphobia – Die Angst vorm Palindrom
Ein Palindrom (aus dem Altgriechischen “rückwärts laufend”) ist ein Wort, das man von vorne nach hinten wie auch von hinten nach vorne gleich lesen kann, wie zum Beispiel ABBA, Reittier oder auch das Wort Aibohphobia. Es gibt Leute, die krankhafte Angst vor Palindromen haben, weil sie die symmetrische Anordnung der Zeichen für böse Ohmen halten (Dass man diese psychische Störung selbst mit dem Palindrom “Aibohphobia” bezeichnet, finde ich persönlich etwas makaber, da die Betroffenen somit ja auch Angst vor dem Namen ihrer Krankheit haben, aber naja…). Aibohphobia, die Angst vor Palindromen. Und zugleich Titel von Kurt Fleischs Debütroman.
Briefe vom Psychiater an den Patienten – oder umgekehrt?
Kurt Fleischers Debütroman “Aibohphobia” besteht zur Gänze aus Briefen eines ominösen Psychiaters Herrn Dr. H. an seinen ebenso ominösen Patienten Herrn S., zu dem er neben seiner Funktion als Arzt ein freundschaftliches Briefverhältnis führt. Dabei liest man stets nur die Briefe des Psychiaters, nie aber die Antworten seines Patienten, sodass man sich im Laufe des Romans mit zunehmender Schrägheit der Inhalte fragt, ob Herr H. überhaupt der ist, der er vorgibt zu sein. Nach und nach ist sich auch der Briefeschreiber selbst nicht mehr sicher, wer er ist, bis das Verwirrspiel schließlich palindrom’sche Ausmaße annimmt (siehe Titel).
Palindrom’sches Verwirrspiel um Identität und Zeit
Ohne zu viel vom Ende verraten zu wollen kann man sagen, dass der ganze Roman nach und nach die Form eines Palindroms annimmt. Wie bereits gesagt bezeichnet ein Palindrom eine Buchstabenreihenfolge, die sich vorwärts wie rückwärts gleich liest. Dieses Phänomen lässt sich letztendlich auf den gesamten Roman anwenden: Durch die zunehmende Ungewissheit, über die Umkehr bis zur Auflösung von Schreiber und Empfänger nähert sich der Roman gegen Ende erneut seinem Anfang zu.
Ich muss zugeben, dass ich im ersten Moment etwas enttäuscht war, als ich gemerkt habe, dass der komplette Roman nur aus Briefen besteht. Und dann auch nur die eine Seite der Briefe, ohne je eine Antwort zu lesen. Aber nach der ersten Verwirrtheit hat mich der Roman vollends abgeholt. Die Wendung des Romans in Kombination mit seinem Titel ist genial. Verrückt, aber genial. So wie auch das ganze Buch stets auf einem schmalen Grad zwischen Verrücktheit und Genialität wandert. Man muss sich dem Verwirrspiel hingeben. Und vielleicht ein bisschen darüber nachdenken. Oder die uneindeutigen Tatsachen hinnehmen wie sie sind oder eben nicht sind.
Interessiert? Hier gehts zur Leseprobe des Verlags.
Frau Pastell
Sandra Doods schreibt als Buchbloggerin unter dem Pseudonym Frau Pastell über Gegenwartsliteratur auf Instagram und ihrem eigenen Blog. Als Doktorandin forscht und schreibt sie aktuell im Bereich Digitalität und Literatur. Sie unterstützt als Lektorin für Abschlussarbeiten Studierende dabei, ihre wissenschaftlichen Arbeiten sprachlich und inhaltlich zu optimieren. Ihr Studium der Fächer Deutsch und Psychologie an der TU Dortmund hat ihr dabei geholfen, ein tiefes Verständnis für die menschliche Psyche und Sprache zu entwickeln, das sie in ihrer Arbeit als Lektorin, Doktorandin und Buchbloggerin einsetzt. Als Teil der Bloggerjury des Literaturpreises "Das Debüt" engagiert sich Sandra Doods aktiv für die Förderung angehender Autorinnen und Autoren und unterstützt diese bei ihren ersten Schritten im Literaturbetrieb. In ihrer Freizeit liest Sandra Doods vor allem psychologische Romane und klassische Krimis. Neben ihrem literarischen Interesse beschäftigt sie sich mit der Programmierung von Apps und interessiert sich für interdisziplinäre Themen, insbesondere für die Verbindung von Literatur, Psychologie und Digitalität.
Ein Kommentar
Mikka
Huhu!
Ooooh, das klingt gut! Das Hörbuch ist in meinem Bookbeat-Abo enthalten, aber ich hoffe noch darauf, dass die Onleihe es reinkriegt. 🙂 Das ist genau die Art von Buch, auf die ich stehe.
LG,
Mikka