Rezension

MaddAddam Trilogie Teil 1: Oryx und Crake von Margaret Atwood

Ich bin eigentlich ständig auf der Suche nach guten dystopischen Romanen. Ein kleiner Faible von mir. Wenn es sich dann auch noch um eine ganze Reihe handelt, gibt es für mich kein Halten mehr: Ich muss sie lesen. Leider habe ich das Gefühl, dass es neben den bekannten Dystopien wie “Die Tribute von Panem” oder “Maze Runner: Die Auserwählten” kaum gute dystopische Buchreihen gibt. Die “MaddAddam”-Reihe von Margaret Atwood kannte ich vorher gar nicht, bis ich im Internet darauf gestoßen bin, als ich Buchlisten nach Scifi-/Endzeit-/Dystopieromanen durchforstet habe. Ich hab mir dann direkt die ganze Buchreihe bei einem Anbieter gebrauchter Bücher bestellt und angefangen zu lesen. Teil 1 “Oryx und Crake” habe ich nun durch und ich muss sagen, ich bin etwas gespalten…

Aber zunächst zum Inhalt:

Das Meer ist aus flüssigem Metall, der Himmel ein ausgebleichtes Blau bis auf das Loch, das die Sonne hineinbrennt. Alles ist so leer. Wasser, Sand, Himmel, Bäume, Fragmente der Vergangenheit. Niemand kann ihn hören.

“Crake!”, brüllt er. “Arschloch! Nur Scheiße im Hirn!”

Margaret Atwood, Oryx und Crake, S. 19.

Jimmy alias Schneemensch lebt in einer von Seuchen und Klimakatastrophen heimgesuchten futuristischen Welt. Er ist alleine, der letzte seiner Art – soweit er weiß – und fristet ein elendes und von Hunger geplagtes Dasein am Rande eines Dorfes genmanipulierter, im Labor gezüchteter ‘Menschen’. In gedanklichen Rückblicken begleiten wir Jimmy auf seinem vergangenen Lebensweg und erfahren, wie die Welt so werden konnte, wie sie ist.

Crake ist Jimmys bester Freund. Sie sind zusammen zur Schule gegangen und haben in ihrer Freizeit jede freie Minute miteinander verbracht. Beide sind in die geheimnisvolle Oryx verliebt. Aber nicht nur deswegen entzweien sich die beiden im Laufe der Zeit immer weiter voneinander… Die Welt ist aufgeteilt in eine Zweiklassengesellschaft der armen Plebsbewohner und der wenigen Reichen, die in vor Seuchen und Witterungen geschützten Wohnkomplexen wohnen und arbeiten. Oryx hatte bei ihrer Geburt nicht so viel Glück und ist nicht wie Jimmy und Crake in einem der priviligierten Komplexen großgeworden. Sie bleibt für Jimmy stets die Geheimnisvolle und ihre Vergangenheit kann nie ganz geklärt werden.

Welche von diesen wird es sein, und wie kann er sich je sicher sein, dass es einen Faden gibt, der die Erste mit der Letzten verbindet? Gab es nur eine Oryx oder gab es Tausende?

Margaret Atwood, Oryx und Crake, S. 318.

Endlos-Endzeit-Stimmung und warum Sex nicht immer sells…

Das Buch hinterlässt mich mit einer gespaltenen Meinung. Die Rückblenden waren auf jeden Fall interessant und nach und nach kam man immer mehr in einen Leseflow und ein Wissen-Wollen, wie es weiterging bzw. wie alles so werden konnte. Andererseits zieht sich die Handlung einfach kontinuierlich in die Länge – außer ganz am Ende – und man hat so ein bisschen das Gefühl, der Autorin ist erst auf Seite 300 eingefallen, dass sie langsam Mal zum Ende kommen müsse. Das ist jetzt natürlich überspitzt geschrieben, aber trotzdem hat man gerade am Anfang und bis über die Mitte hinaus kaum das Gefühl, dass etwas wirklich Relevantes passiert. Ich muss auch sagen, dass ich das Buch zwischenzeitlich fast aufgegeben habe, dann aber zum Glück doch noch weitergelesen habe. Durch das offene Ende ist man jetzt natürlich angefixt und will direkt mit Teil 2 durchstarten, was ist auch tun werde (um eine Reihe vorzeitig abzubrechen bin ich viel zu sehr Monk…). Ich habe mich allerdings schon gefragt, warum ich vorher noch nie von dieser Buchreihe gehört habe und warum sie nicht so bekannt geworden ist. Neben der teils zähen Handlung ist es noch ein anderer Faktor, der mir beim Lesen negativ aufgefallen ist: Es wird sehr sehr viel über Sex und Pornografie gesprochen, auch Kinderpronografie spielt eine große Rolle, und zwar schon im negativ-wertenden Sinne. Allerdings auch von der Hauptfigur konsumierend, was ich als zu krass und ethisch nicht vertretbar finde. Gerade wenn man bedenkt, dass insbesondere jüngere Leute und Jugendliche viel Scifi-Romane und Dystopien (Tribute von Panem, Maze Runner…) lesen frage ich mich, was bei dieser Zielgruppe der hohe Anteil anzüglicher und negativer Sexthemen zu suchen hat.

Ich bin natürlich trotzdem gespannt, wie es im zweiten Teil weitergeht und ob mir die Fortsetzungen besser gefallen werden.

Ihr wollt mal in den Roman reinschnuppern? Hier gehts zur Leseprobe.

Sandra Doods schreibt als Buchbloggerin unter dem Pseudonym Frau Pastell über Gegenwartsliteratur auf Instagram und ihrem eigenen Blog. Als Lektorin für Abschlussarbeiten unterstützt sie Studierende dabei, ihre wissenschaftlichen Arbeiten sprachlich und inhaltlich zu optimieren. Ihr Studium der Fächer Deutsch und Psychologie an der TU Dortmund hat ihr dabei geholfen, ein tiefes Verständnis für die menschliche Psyche und Sprache zu entwickeln, das sie in ihrer Arbeit als Lektorin und Buchbloggerin einsetzt. Als Teil der Bloggerjury des Literaturpreises "Das Debüt" engagiert sich Sandra Doods aktiv für die Förderung angehender Autorinnen und Autoren und unterstützt diese bei ihren ersten Schritten im Literaturbetrieb. In ihrer Freizeit liest Sandra Doods vor allem psychologische Romane und klassische Krimis. Neben ihrem literarischen Interesse beschäftigt sie sich mit der Programmierung von Apps und interessiert sich für interdisziplinäre Themen, insbesondere für die Verbindung von Literatur, Psychologie und Digitalität.

Ein Kommentar

  • Mikka

    Hallo,

    ich denke eigentlich nicht, dass die Zielgruppe Jugendliche und junge Leser sind? Wenn man sich Atwoods Werk so anschaut, wie zum Beispiel das berühmte “Der Report der Magd”, dann richten ihre Bücher sich ganz deutlich eher an erwachsene Leser. Dass Dystopien im Jugendbuch- und ‘Young Adult’-Sektor so beliebt sind, ist ja eine relativ neue Entwicklung, aber dystopische Romane gab es eigentlich immer schon.

    Sex und sexuelle Gewalt spielen in Atwoods Romanen oft eine Rolle, um Machtstrukturen und Machtgefälle darzustellen. Ich denke, die Erwähnung von Kinderpornographie hat wahrscheinlich eine ähnliche Intention. Ich bin ganz bei dir, dass es eine ungemein problematische Sache ist, wenn ein Protagonist Kinderpornographie konsumiert, aber mir stellt sich die Frage: Was will Atwood damit zeigen? Wie konnte dieser Mensch so werden? In den 80ern hat die Autorin mal einen längeren, sehr kritischen Text über Pornographie geschrieben, in dem sie den regelmäßigen Konsum von Pornographie mit Alkoholismus und Drogensucht vergleicht. Sie spricht davon, dass der regelmäßige Konsument abstumpft; es müsse daher alles immer detaillierter, krasser und kontroverser werden, um den gleichen Kick zu bekommen. Ich vermute, Kinderpornographie ist für sie vermutlich das Krasseste und Kontroverseste, was sie sich vorstellen kann? Ich habe mal einen Artikel gelesen, in dem gesagt wurde, Atwood zeige eine Kultur korrupter Werte, die eine Sucht nach dem Austesten von Grenzen über grundlegende menschliche und ökologische Bedürfnisse stellt.

    Ich habe diese Reihe hier noch nicht gelesen, habe das aber auf jeden Fall noch vor!

    LG,
    Mikka

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